Schenkt man der Bibel
übermäßigen Glauben, so sind die Sprachen, die wir sprechen, eine Strafe
Gottes. Weil die Menschen in Babylon den Unerreichbaren zu erreichen abzielten,
einen Turm bis in den Himmel, wo er hause, zu bauen begannen, strafte er sie
mit unterschiedlichen Sprachen. Ein fürchterliches Sprachenwirrwarr und kein
Google Translator weit und breit. Kein Verstehen – keine Verständigung.
Missverständnis. Uneinigkeit, Streit und ein unvollendeter Turm als Vorbild für
nicht fertigstellbare Bahnhöfe und Flughäfen.
Pädagogisch gesehen ist
das kompletter Schwachsinn! Welcher Vater, der Ruhe vor seinen sicherlich etwas
nervigen, jedoch friedlichen Kindern haben will, bringt sie auf die Idee, sich
zu streiten, zu schlagen und an den Haaren zu ziehen?
Fremdsprachen machen
Fremde aus eigentlich Gleichen. Hießen sie doch Anderssprachen und würden
lediglich Andersartigkeit schüren!
Verstehen schafft
Verständigung, schafft Verständnis.
Um zu verstehen, lerne ich
jetzt Albanisch, die Sprache, die 90 Prozent der kosovarischen Bevölkerung
neben Serbisch, Bosnisch und Romanes sprechen.
Albanisch klingt wie
Deutsch wenig sanft und abgebrochen, ohne fließende Sprachmelodie wie die
Sprache der Franzosen oder Italiener. Lateinische Wortstämme, von den Römern
mitgebracht, bekamen türkische und slawische Nuancen von Osmanen und Serben.
Das Ergebnis ist ein vokalarmes Rauschen von tsch zu schje, abgehakt
durch Ks und dieses verflixte R, das auszusprechen ich erst nach drei doppelten
Raki in der Lage bin.
Gjuha jonë sa e mirë!
Sa e ëmbël, sa e gjerë!
Sa e lehtë, sa e lirë!
Sa e bukur, sa e vlerë!
Sa e ëmbël, sa e gjerë!
Sa e lehtë, sa e lirë!
Sa e bukur, sa e vlerë!
Unsere
Sprache, wie gut!
Wie süß, wie breit!
Wie leicht, wie frei!
Wie schön, wie wertvoll!
Wie süß, wie breit!
Wie leicht, wie frei!
Wie schön, wie wertvoll!
Naim Frashëri, albanischer
Schriftsteller
Drei mal pro Woche gibt
mir ein Mädchen aus dem Jugendcenter Albanischunterricht. Wohin ich gehe, nehme
ich mein kleines Notizbuch mit, schreibe auf, was ich höre, was ich lese.
Abends schlage ich meinen gesammelten Wortschatz im Internetwörterbuch nach und
versuche, mir grammatikalische Zusammenhänge zu erschließen. Nicht scheuen,
drauf los zu sprechen. Und immer wieder nachfragen, fragen, fragen, fragen. Ja,
es ist wirklich Arbeit, in kurzer Zeit eine vollkommen neue Sprache zu lernen
und es strengt an, unter ständiger wachsamer Spannung zu stehen, wenn ich aus
dem mich umgebenden Wortschwall wie mit einem Metalldetektor schon bekannte
Wörter herauszuhören versuche, unbewusste Mimiken und Gestiken interpretiere,
um einen Sinn zu erahnen. Doch es ist eine große Chance, eine Sprache zu
erlernen, wenn man beinahe ausschließlich von ihr umgeben ist. Ich liebe den
Moment, ab dem Sprache anfängt, logisch zu werden!
Wenn man so will und
linguistisch einen ähnlich fanatischen Schaden hat wie ich, kann man die vielen
verschiedenen Sprachen, mögen sie Gott, die Evolution oder der Klapperstorch
auf die Erde gebracht haben, als Geschenk ansehen.
Weil sie unser kulturelles
Leben mit ihren unterschiedlichen Klangfarben, der sich daraus nährenden Poesie
und der Literatur bereichern.
Und weil sie uns
Aufschluss geben über die Geschichte ganzer Völker, über Identitäten und Werte.
So nennen die Albaner etwa
ihr Land nicht Albanien, so wie die Deutschen von Deutschland und nicht von
Germania sprechen, sondern Shqipëria.
Abgeleitet vom albanischen Wort für Adler – shqiponja
–, dem die albanische Flagge zierenden Nationalsymbol des sehr stolzen
Volkes.
Außerdem zeigt die
albanische Differenzierung von Onkel und Tanten in väterlicherseits (Vaters
Bruder: axhi, Vaters Schwester: halla) und mütterlicherseits (Mutters
Bruder: daja, Mutters Schwester: tezja), welchen hohen Stellenwert
Familie und Verwandschaftsbeziehungen einnehmen.
Und noch etwas fällt auf:
Wie die Albaner selbst, denen ich bisher begegnet bin, ist auch ihre Sprache
sehr freundlich zu Ausländern. Weder drei Artikel wie im Deutschen, noch eine
komplexe Liste grammatikalischer Ausnahmen, machen die Sprache allzu schwer.
Besonders, da die Kosovo-Albaner im Gegensatz zu ihren Volksbrüdern in Albanien
einen nahezu grammatikfreien Dialekt sprechen.
Bei aller Liebe zur
deutschen Sprache gedenke ich in dieser Minute all jenen, die mehr oder weniger
freiwillig Deutsch als Fremdsprache, pardon, als Anderssprache lernen.
„Sprache, das hab ich gelernt,
kann in ihrer Einfachheit begeistern,
wenn man sie nur ernst nimmt.“
Pierre Jarawan, Poetry Slamer
1 Kommentar:
Na dann:
GEZUAR!
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