Tiere? Ja, Tiere trifft man im Kosovo oft an.
Hühner gackern durch die Dörfer, Fische werden zuhauf geangelt, ein Adler ziert
die beliebte albanische Flagge. Nur eine Gattung findet man lediglich auf der
Roten Liste bedrohter Arten: den Vegetarier.
In jeder gepflegten
Innenstadt reihen sich Qebaptoren an Mishtoren, Qebapa-Läden an Fleischereien.
Hinter Glasscheiben hängt stückweise, batzenweise, körperweise blutrohes,
sehniges Fleisch. Triefende Wurst knistert auf heißen Eisen. Glänzende
Grillhähnchen drehen sich goldbraun.
Diese
Fleischfresserei bedeutet allerdings nicht, dass zu einer anständigen Mahlzeit
kein Gemüse gehört. Auf dem für zwölf Familienmitglieder reichlich gedeckten
Esstisch tummeln sich in Extraschüsseln neben den Tellern eingelegte Peperoni,
Oliven und natürlich Paprika.
Was wären die
Menschen auf dem Balkan ohne Paprika? Was wäre ich ohne die geduldigen Mamas
und Omas, die einmal im Jahr achtzig Kilogramm Paprika in mühevoller Handarbeit
rösten, schälen, entkernen, fein hacken, mit Olivenöl, Salz, Pfeffer,
Knoblauch, Zwiebeln und Peperoni mischen und solange garen, bis der Brei die
Konsistenz von Apfelmus erreicht hat und Ajvar
genannt werden kann. Ja, was wäre ich nur ohne Ajvar? Ein Kühlschrank ohne
Ajvar treibt mich noch spät abends zum nächsten Tante-Emma-Laden, allein sein
Geruch lässt mich Lobeshymnen frohlocken, die selbst Hollywood’schem Fließbandkitsch
Konkurrenz machen. Ein Tag ohne Ajvar ist ein verlorener Tag. Ich bin klein,
mein Magen rein, soll niemand drin wohnen als Ajvar allein. Gebt
Suizidgefährdeten Ajvar und ihr werdet sie nie wieder los!
Wichtiger als
Fleisch und Paprika ist eigentlich nur eines: Brot.
Als ich zum
ersten Mal bei meiner albanischen Gastfamilie zu Abend aß und fälschlicherweise
annahm, das halbe Weißbrot neben meinem Teller sei für alle bestimmt – bis ich
je ein Stück Brot desselben Ausmaßes neben jedem einzelnen Teller entdeckte –
ahnte ich nicht im Geringsten, wie tief die Liebe des Normalbaners zu seinem
Brot ist. Das albanische Wort bukë
für Brot hält gar stellvertretend für jede Mahlzeit her. Als beinhalte Brot
Enzyme, ohne die der menschliche Körper nicht zum Kauen oder Schlucken oder
Verdauen in der Lage wäre, wird in Restaurants wie in heimischen Esszimmern
Brot in der Größe eines Kinderkopfes gereicht. Immer! Und das ist auch lecker
so!
Weil es wieder
die geduldigen Mamas und Omas sind, die in langwieriger Küchenarbeit
Brotprachtstücke, mal mit Lauch, mal mit Joghurt, zaubern. So wie sie auch
nicht müde werden, die traditionellen Teigkunstwerke Flija zu backen. Mehl,
Wasser, Salz und Öl werden zu Teig, werden zur ersten Schicht auf dem Boden
eines Autoreifen großen Bleches, werden von einem in hölzerner Glut erhitzten
Deckel golden geröstet. Schicht um Schicht, Lage um Lage. Dazwischen Joghurt – das letzte Element im
bunten Schüsselmosaik auf dem großen Esstisch. Joghurt, der gewöhnlich
getrunken, nicht gegessen wird. Und Käse, flockiger, weißer, sauer-herber Käse der
meist im eigenen Stall nebenan hausenden Kuh.
Und mit dem Brot
in der Hand und dem Tier auf dem Teller wird geschlungen und geschluckt, bis
mit einem herzensguten „Iss mehr!“ auf den halbleeren Teller noch eine Portion
Tier, Ajvar, Brot und Käse geknallt werden. Prost Mahlzeit! Ju bëfte mirë!
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